Schiffsmodelle aus Gewürznelken
Molukken-Ambon, 19. Jahrhundert
Zweimaster H 43 cm, L 57 cm
Dreimaster H 56 cm, L 80 cm
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Die filigranen Schiffsmodelle sind aus einer Vielzahl von Gewürznelken gefertigt, die mit Sorgfalt und größter Geduldsarbeit zusammengebunden und gesteckt wurden – ohne jegliche Verwendung von Nägeln oder Leim. Auf den Schiffen zeigen sich zahlreiche Seefahrer in unterschiedlicher Position und Tätigkeit an Bord.
Solche Schiffsmodelle aus Gewürznelken sind für die Insel Ambon in den Molukken (Indonesien, Gewürzinseln) typisch und haben sich in mehreren europäischen Museen erhalten, beispielsweise im Museum für Völkerkunde in Wien, im Völkerkundemuseum der Universität Zürich, im Museum für Völkerkunde in Leiden und in der Kunstkammer in Sankt Petersburg.
In der südostasiatischen Kunst gehen Bootsdarstellungen auf Anschauungen magisch-religiösen Charakters zurück, da sie mit dem Totenkult und Jenseitsglauben in Verbindung gebracht werden. Bei seefahrenden Völkern mit schamanischen Religionen bekommen Schiffsmodelle eine weitere Dimension als Kultobjekte: Sie dienen als Schutz gegen Unglück und Erkrankungen. Die bösen Geister werden in einer Beschwörungszeremonie auf das Schiffsmodell gelockt, das dann dem Fluss bzw. dem Meer übergeben wird. Dieser Brauch lässt sich auf den Molukken nachweisen, wo diese zeremoniellen Schiffe nicht wie üblich aus Holz oder Metall gefertigt werden, sondern aus getrockneten Blütenknospen des Gewürznelken-Baumes, der auf den Molukken beheimatet ist. Dabei sollen die apotropäischen Eigenschaften der Gewürznelken die Wirksamkeit der Beschwörungszeremonie verstärken.
Wenn auch die Schiffsmodelle aus Ambon ursprünglich eine zeremonielle Funktion erfüllten, so kann man davon ausgehen, dass sie auch als Souvenir an die Europäer verkauft wurden, die seit dem 16. Jahrhundert wegen des Gewürzhandels um die Vorherrschaft auf den Molukken kämpften. So entstanden in Ambon nicht nur Schiffsmodelle aus Gewürznelken, sondern auch ganze Teeservice, Kassetten, Kerzenhalter und andere Objekte europäischer Prägung.
Zur frühesten Datierung des vorliegenden Objektes kann eine Gruppe von nahezu identischen Schiffsmodellen aus dem Reichsmuseum für Völkerkunde in Leiden herangezogen werden. Archivalien belegen, dass vier dieser molukkischen Schiffsmodelle am 13. März 1823 in die Sammlung des Museums eingingen – und zwar als Schenkung des Botanikers Kaspar Georg Karl Reinwart (1773 - 1854). Dieser hatte von 1816 - 1823 als Direktor für Landwirtschaft, Kunst und Wissenschaft auf der Insel Java amtiert und kehrte 1823 in die Niederlande zurück, um eine Professur an der Leidener Universität anzutreten. Ähnlich wie die Schiffsmodelle, die Reinwart 1823 aus Indonesien mitbrachte, sind die vorliegenden Nelkenschiffe wohl noch im 19. Jahrhundert entstanden. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts blieb jedoch die qualitativ hochwertige und feinfühlige Verarbeitung der Gewürznelke fester Bestandteil der materiellen Kultur der Molukken.
Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. IV - Nr. 27, München 2016