Christus als Prozessionsfigur
Süddeutsch, 18. Jahrhundert
Holz
H 162 cm
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Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine Prozessionsfigur des betenden Jesus Christus. Die Gestaltung des Körpers ist hierarchisch gegliedert, nur Unterarme, Waden, Füße sowie Hals und Kopf wurden nuanciert ausgearbeitet und farbig gefasst. Den Rest des Körpers bildet eine einfache, roh belassene und stabil gefertigte Holzkonstruktion.
Sowohl die gefassten Teile der Extremitäten als auch der Kopf könnten vom Leib mithilfe eines einfachen Stecksystems entfernt und in einer anderen Figur befestigt werden. Der Kopf ist über einen Zapfen in den Rumpf gesetzt, er lässt sich drehen. Außerdem ist die Position der Arme variabel, die Höhe der zum Gebet gefalteten Hände lässt sich mithilfe eines einfachen aber effektiven Mechanismus beeinflussen: Ein kleiner Eisenstift wird in ein Loch in der Brust gesteckt und fixiert so die Haltung. Die Unterschenkel sind ebenfalls abnehmbar, können ihre Position aber nicht verändern.
Der Torso wurde ursprünglich mit Naturfasern ausgepolstert, beispielsweise mit Flachs, und daraufhin bekleidet, aufgrund der Gestaltung des Körpers und der Darstellungstradition ist als textile Ausstattung ein leinenes Hemd anzunehmen. Die Bekleidung christlicher Kultbilder kann ab der Spätgotik belegt werden, dabei wurden sowohl unbewegliche Figuren als auch solche mit beweglichen Gliedern eingekleidet. Die Kleidung wird dabei meist im Verlauf des Kirchenjahres gewechselt oder, bei nicht dauerhaft aufgestellten Figuren, dem Festtag und der Verwendung, oft einer Prozession, entsprechend ausgestattet. Manche Heilige wurden auch umgearbeitet um die Körper besser mit Textilien ausschmücken zu können. Beate Fücker führte jüngst die Unterscheidung zwischen diesen sekundär und primär bekleideten Figuren, bei deren Entwurf und Fertigung die spätere Bekleidung bereits mitgedacht war, ein.
Die hier vorliegende Christusfigur ist stilistischen Merkmalen nach wohl von deutscher Provenienz und entstand im 18. Jahrhundert. Sie lässt sich in den Typus der primär bekleideten Figuren einordnen, da sie einer Vervollständigung durch Textilien bedarf. Solche primär bekleideten Figuren erfüllten unterschiedliche Zwecke, so konnten sie als Andachtsbilder dienen, da sie sich „durch häufiges Umkleiden perfekt auf den als barockes Gesamtkunstwerk inszenierten Kirchenraum und die darin agierenden Geistlichen abstimmen ließen“ (vgl. Fücker 2017, S. 79). Bewegliche bekleidete Figuren wurden für sakrales Theater genutzt, etwa für szenische Ölbergandachten. Figuren wie die hier vorliegende fanden maßgeblich innerhalb temporär errichteter Festgerüste, wie Fastenkrippen, und für Prozessionen Verwendung.
Heute erscheint die Prozessionsfigur ohne Polster und Bekleidung, ihre Holzkonstruktion ist offenbart. Durch die Entfernung des Gewandes hat die Figur einen Teil ihrer ursprüngliche Gestaltung hinter sich gelassen und zugleich eine neue ästhetische Qualität und Wirkung gewonnen
Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. II – Nr. 36, München 2014