Modell Wassermühle
Modell Stampfmühle
Deutsch, 18. Jahrhundert
Holz, Leinen, Eisen
H 60 - 68 cm, B 80 cm, T 64 cm

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Trotz ihrer beeindruckenden Raumwirkung und massiven Erscheinung sind die beiden vorliegenden Mühlenmodelle alles andere als statisch: Die mechanische Betätigung des jeweiligen Mühlrades setzt die Zahnräder, Mahlwerke, Walzen und Stampfen lautstark in Bewegung. Anschaulich lässt sich die Kraftübertragung über Zahnräder bis hin zum Mühlstein nachvollziehen und die Funktionsweise der Maschinen beobachten.
Die sehr detailliert und fein ausgearbeitete Wassermühle ist zum Mahlen von Korn ausgelegt – bis hin zum abnehmbaren textilen Mehlsack. Schütten und Schleusen lassen sich öffnen und schließen, metallene Hebel umlegen, Metallstifte lösen. Die Stampfmühle dagegen ist etwas reduzierter gestaltet, hier verbinden sich zwei Anwendungen: Während auf der linken Seite gestampft wird, reiben auf der rechten zwei Walzen aneinander. Verwendet wurden solche Stampfen für unterschiedliche Zwecke, beispielsweise in der Ölgewinnung, aber auch in der Textilverarbeitung. So könnte man unter den Stampfen Wolltuch walken und zeitgleich die Walzen den nassen Walk auswringen und glätten lassen.

Der Aufbau und die didaktische Konzeption der allansichtig gestalteten Mühlen belegen, dass diese als Lehrmittel dienten. Vermittelt wurden mit ihrer Hilfe einfache physikalische Zusammenhänge und Grundlagen des Maschinenbaus, wie etwa die Funktionsweise von Zahnrädern, aber auch das komplexe Zusammenspiel aller Komponenten die nötig sind, um eine mechanische Mühle wirtschaftlich und ertragreich zu betreiben. Wie die berühmte und gut dokumentierte Modellsammlung aus Göttingen zeigt, wurden solche Modelle im 18. Jahrhundert unter anderem zur Unterweisung von Beamten im höheren Staatsdienst eingesetzt , die eine möglichst breite, umfassende Ausbildung erhalten sollten. Kleinere historische Ausbesserungen und Gebrauchsspuren belegen, dass sie über längere Zeit funktional geschätzt und auch eingesetzt wurden. Aus der Gestaltung und Fertigungsweise der Mühlenmodelle lässt sich schließen, dass sie im letzten Drittel des 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum entstanden sind. Beide Modelle sind aus dem gleichen Nadelholz gefertigt, auch die fast identische Größe der Bodenplatten und ihre Herkunft bestätigen ihre Verbindung.

Gleich mehrere vergleichbare Modelle haben sich aus der Modellsammlung Göttingen erhalten, insbesondere das Modell eines Aufbereitungswerks für Erze mit Pochwerk, Mahlwerk und Sieben um 1770/80 zeigt einen ähnlichen Aufbau und die gleiche, detaillierte Ausführung wie die Wassermühle. Auch in anderen wissenschaftlichen Sammlungen wie in der Kunst- und Naturalienkammer der Frankeschen Stiftungen zu Halle oder dem Historischen Museum in Hannover finden sich vergleichbare Modelle. Die einzigartige Sammlung der Modellkammer des Maximilianmuseums Augsburg besitzt eine frühe Wassermühle aus dem 17. Jahrhundert sowie ebenfalls mehrere mechanische und hydraulische Modelle aus dem 18. Jahrhundert, die in Konzeption und Konstruktion den vorliegenden Mühlen gleichen.
Die beiden Mühlenmodelle musealer Qualität waren sicherlich ebenfalls Teil einer Modellkammer oder Lehrsammlung. Dass sie bis heute in diesem Zustand erhalten sind ist ein seltener glücklicher Umstand – im auslaufenden 19. Jahrhundert wurden die meisten Lehr- und Modellsammlungen aufgelöst und viele Modelle zerstört. Die Modelle überzeugen nicht nur durch ihre didaktischen Qualitäten und den außerordentlich guten und funktionstüchtigen Zustand: Form, Größe und Konstruktion verleihen ihnen eine ästhetische Eigenständigkeit und über der reinen Funktion stehende, harmonische Präsenz im Raum.

Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. V - Nr. 6 & 8, München 2017