Monstranz
Sevilla, um 1800
Holz, Papier
H 170 cm, B 70cm, T 70cm

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Bei vorliegendem Objekt handelt es sich um eine außergewöhnliche Custodia, eine Monstranz, die aus vier einzeln gefertigten, miteinander verschraubten Architekturelementen besteht. Sie zeichnet sich durch ihre beeindruckende architektonische Erscheinung sowie die detaillierte Gestaltung aus gefärbtem, geschnittenen und geprägten Buntpapier mit starker dreidimensionaler Wirkung aus - der Entwurf basiert auf der Architektur der spanischen Stadt Sevilla.

Diese für Spanien und Portugal typischen, teils über drei Meter hohe Monstranzen, die an architektonische Modelle erinnern, werden traditionell bei Prozessionen mitgeführt. Ein weltberühmtes Beispiel für diesen Typus ist die Monstranz des Sevillaner Kunstschmiedes Juan de Arfe y Villafane aus dem Jahre 1587, sie wiegt rund 300 Kilogramm und erreichte eine Höhe von vier Metern. Auf vier Ebenen verteilt präsentiert sie religiöse Themen: An der Spitze eine Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit, gefolgt vom Triumph der Kirche und dem Lamm Gottes, darunter steht der Tabernakel mit der Hostie und zuunterst eine Darstellung der unbefleckten Empfängnis.

Die Holzkonstruktion der Monstranz wurde mehrschichtig mit gefärbten, perforierten und gemusterten Papieren sowie dünnen Kartonagen beklebt. Außergewöhnlich ist die Qualität dieser feinen Papiertechnik, welche es ermöglicht, die Muster aufwendigster Einlegearbeiten an Holztüren, Kassettendecken, Bodenmustern und Fayencemosaiken Sevillianer Architektur nachzuempfinden.
Der Entwurf orientiert sich stark an der Custodia der Sevillianer Kathedrale und zugleich an der andalusischen Barockarchitektur des 16. bis 18. Jahrhunderts: Einige Kirchtürme aus Seviella wie die der Iglesia del Salvador en Carmona, Iglesia de San Pedro und Iglesia de la Victoria sowie der Turm der Piazza de Espana und der Königspalast Alcazar könnten als Vorlage für den Entwurf gedient haben. Charakteristisch für diese Gebäude ist die bunte orientalisch und maurisch geprägte Ornamentik, die sich auch auf der Monstranz finden.

Besonders ungewöhnlich ist die Positionierung des ebenfalls maurisch beeinflussten und in identischer Papiertechnik gearbeiteten großen Brunnen in der untersten Ebene, ein weltliches Motiv. Stilistisch ist dieser Typus zwar in den realen Hofanlagen Sevillas wiederzufinden, bei einer Custodia ist dieser Platz jedoch traditionell der Maria Immaculata vorbehalten. Die weiteren Ebenen sind unbesetzt, ebenfalls ungewöhnlich - vielleicht ist der Inhalt verloren oder wurde nie fertiggestellt. Bei der vorliegenden Monstranz verbinden sich das Irdische, die Architektur Sevillas mit maurischem Brunnen mit dem Himmlischen und der Würde ihrer ursprünglichen Funktion - ein wahrlich außergewöhnliches Objekt.

Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. III - Nr. 6, München 2015