Korkmodell
Frankreich 18. Jahrhundert
Kork, Holz, Glas, Papier
H 55 cm B 60 cm T 29 cm

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Ein Schloss in einer Landschaft, belagert von Soldaten mitten im Kampf. Sie schießen oder laufen, liegen verwundet, andere wiederum fliehen in einer Kutsche, sind ins Gebet vertieft oder steuern ein Floß an einer Mühle vorbei – und das alles en miniature. Zusammen sind Sie die Protagonisten dieses sehr seltenen Korkmodells, das sich durch seinen komplexen Entwurf und das ungewöhnliche Thema auszeichnet.

Phelloplastiken des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts zeigen in der Regel unbewohnte antike Bauwerke und Ruinen, keine zeitgenössischen Schlösser oder gar Szenerien. Auch qualitativ überzeugt das Modell: Feinste Schnitzereien, ausgeführt in dem schwierig zu bearbeitenden, porösem Material, zeugen von der Kunstfertigkeit seines Erschaffers. Die Technik der Phelloplastik entstand Mitte des 18. Jahrhunderts in Italien als Idee, Bauwerke der Antike in Kork nachzubilden. Die gelungene Kombination aus Motiv und Werkstoff war ein maßgeblicher Faktor des Erfolges dieser überraschend naturgetreuen und oft archäologisch genauen Modelle mit wissenschaftlichem Anspruch. Bis heute ist der wohl berühmteste Phelloplastiker Antonio Chichi (1743–1816): Er fertigte faszinierende Modelle antiker Bauten und Ruinen aus Kork, die für Reisende im Verlauf Ihrer Grand Tour zu kostbaren Souvenirs und begehrten Sammelobjekten wurden. Sie wurden in ganz Europa in Kunstkabinetten präsentiert, wo sie nicht nur der Dokumentation der Reise dienten, sondern auch selbst eine didaktische Funktion erfüllen konnten.

Das hier vorliegende Modell ist gesockelt und wird mit einer Glashaube vor Staub geschützt, wie die Seiten erkennen lassen, ist diese Sockelung aber späteren Datums. Es ist mit einem stark verwitterten, originalen Papieretikett bezeichnet: Chateau c(...) / pyrenees Bat (...) auz/aou... (P/S)ontuetF(..ait?) par Leclair... 1518... ouit(?) en Lièg...Der Sockel wiederum ist mit einem Messingschild versehen. Hier lesen wir: PIECE INESTIMABLE / CHATEAU EN LIÈGE / Exécuté par LECLERC en 1525. Das spätere Metallschild greift also durchaus das Papieretikett auf, gibt aber andere Daten an, 1518 statt 1525, und verändert die Schreibweisen des Namens von Leclerc zu Leclair. Kleidung und Ausstattung der Figuren bieten jedoch einen klaren Hinweis: Insbesondere die zylinderartigen Hüte und Zweispitze der Soldaten weisen ins späte 18. Jahrhundert, womit ein Terminus post quem für das Modell selbst feststeht.

Es kann sich also bei der Jahreszahl 1518 bzw. 1525 keinesfalls um das Entstehungsdatum handeln, auch wenn der Zusatz „Exécuté par LECLERC en 1525“ typischerweise darauf hinweisen würde. Möglich ist, dass hier ein Ereignis des 16. Jahrhunderts dargestellt ist, eine Belagerung oder Eroberung – ein dreidimensionales Historienbild. Ob es sich dabei jedoch tatsächlich um ein historisches Ereignis oder eine fiktive Geschichte handelt, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Wahrscheinlich zeigt das Modell, ganz im Geiste des späten 18. Jahrhunderts, eine Historienszene, eingebettet in eine Idealarchitektur. Bereits zum Zeitpunkt der späteren Sockelung im 19. Jahrhundert, wusste man offensichtlich nicht, um was für eine Thema es sich handelt. Dafür wurde es, heute so aktuell wie damals, als PIECE INESTIMABLE bezeichnet worden – als unschätzbares Werk, das seinesgleichen sucht.

Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. VI - Nr. 4, München 2019