Höfische Falkenhaube
Deutsch, 17. Jahrhundert
Leder, Seidensamt
H 5,5 cm, B 4 cm
Haubenstock aus Holz
H 19 cm
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Falkenhauben sind kein Accessoire sondern ein unverzichtbares Attribut der über Jahrhunderte hinweg so beliebten und prestigeträchtigen Beizjagd.
Auch wenn das Anlegen einer Augenmaske zunächst befremdlich erscheinen mag, hat sie tatsächlich für die Jagdvögel eine positive Wirkung - das Tier kann sich unter der Haube entspannen. Dunkelheit bedeutet für Greifvögel Ruhezeit, bis heute setzt man solche Hauben daher auch zum Transport der Tiere ein.
Die Tiere werden bereits früh an ihre Kopfbedeckung gewöhnt, die stets der individuellen Kopfgröße der Tiere auf Maß angepasst wird. Obwohl die Hauben meist als Falkenhauben bezeichnet werden, kommen sie auch bei anderen Greifvogelarten zum Einsatz, beispielsweise beim Habicht oder Bussard. Die hier vorliegende Haube ist auffallend zierlich, sie wurde wohl für einen jungen Falken oder einen anderen klein gewachsenen Greifvogel entworfen.
Falkenhauben waren Teil einer aufwendig und kostbar gestalteten Jagdausstattung, die oft im höfischen Kontext zum Einsatz kam. So verwundert es nicht, dass die Hauben neben rein praktischen, auch dekorativen und repräsentativen Zwecken dienten und im Stil der Zeit gestaltet waren. Stilistisch weist die hier vorliegende Haube große Ähnlichkeiten zu einigen der Hauben auf, die sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befinden. Sie stammen aus dem Besitz des Erzherzogs Ferdinand II., Sohn des Ferdinand I. von Habsburg Österreich und Landesherr von Tirol, müssen also zwischen 1529 und 1595 angefertigt worden sein. Auch im Museum Museo nazionale del Bargello in Florenz finden sich ähnliche Hauben italienischer und deutscher Provenienz.
Die Haube wurde aus punziertem Leder genäht, das zusätzlich in der Farbe der Seitenteile bemalt wurde. Die Wangen sind mit Samt, wahrscheinlich aus Seide gewoben, bezogen. Wie für dieses Material typisch hat sich der empfindliche Flor im Laufe der Jahrhunderte größtenteils abgerieben und ist durch Lichteinstrahlung ausgeblichen, ursprünglich leuchtete das Material wohl strahlend blau. Auch der Seidenbusch, umwickelt mit einem Draht, war wohl ursprünglich blau mit gelb, auf der Innenseite haben sich die ursprünglichen Farbtöne erhalten. Während die Vorderseite einen Öffnung für den Schnabel aufweist, ist die Rückseite mit einem Schlitz versehen, der mit einem hellen Lederband verschlossen wird. Es handelt sich hier, wie auch bei den Exemplaren im Kunsthistorischen Museum, wohl um Rehleder. Auch die punzierte Dekoration weist große Ähnlichkeiten zu den Stücken auf, die sich in Wien befinden. Das Punziermuster besteht aus langen und kurze Linien, die in geometrischen Formen entlang der Nähte und Öffnungen und auch in Querverbindungen in das nur wenige Millimeter dicke Leder eingepresst wurden. Aufgrund der Ähnlichkeit in Form, Schnitt, Material, Gestaltung und der typischen Alterungsspuren ist davon auszugehen, dass auch diese Haube aus einem höfischen Kontext des späten 16. oder frühen 17. Jahrhundert stammt.
Die Falkenhaube sitzt auf ihrem historischen Haubenstock, der in der Größe perfekt passt, wahrscheinlich wurde er extra für die Haube angefertigt, möglicherweise sogar zeitgleich. Der Haubenstock ist in Form eines Falkenkopfs aus Holz geschnitzt, ein Wappen schmückt den Hals des Tieres. Auf der Oberfläche finden sich Reste einer Farbfassung, das Wappenschild war wohl braun-rot bemalt oder ist zumindest in diesem Farbton grundiert. Das Wappen weist fünf Kugeln in der Stellung 2, 2, 1 auf, ohne die heraldischen Farben lässt sich die wappentragende Familie aber nicht mehr bestimmen. Erst wenn man die Haube abnimmt, zeigt sich die vollplastisch Gestaltung des Haubenstocks, auch die Augen des Falkens sind ausgeführt. Zusammen mit dem scharf gekrümmten Schnabel und dem geschwungenen Wappenschild ergibt sich mit der Haube eine elegante ästhetische Einheit, nur selten haben sich Haube und Haubenstock in solch einer Zusammenstellung erhalten.
Was vor mehr als 400 Jahren repräsentativen wie praktischen Zwecken diente, ist heute ein rares Zeugnis höfischer Jagdkultur. Der Greifvogel, für den diese Haube angefertigt wurde ist vergangen - seine Haube und hölzerner Repräsentant aber haben überdauert.
Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. V - Nr. 2, München 2017