Marotte
Frankreich, 19. Jahrhundert
Steingut
H 34 cm

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Der vorliegende französischen Haubenstocks stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und diente wohl als funktionaler Haubenständer mit Ablage für Arbeitsutensilien, wie er von Putzmacherinnen zur Anfertigung und Verzierung von Hauben benötigt wird.
Während die handwerkliche Ausführung dieser Marotte ganz dem Typus der auf Drehscheiben gefertigten Haubenstöcke aus Ton des westfranzösischen Départements Deux-Sèvres in der Region Nouvelle-Aquitaine entspricht, erinnert die Formgebung eher an die ebenfalls französischen Haubenstöcke aus Papiermaché des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts.
Auffallend anders ist der Halsschmuck mit Amulett, eine kaum entschlüsselbarer Inschrift und die partielle Farbfassung. Diese Merkmale setzten sich deutlich von herkömmlichen Typen ab und zeugen von einer äußerst persönlichen und kreativen Gestaltung.

Wie alle Haubenstöcke diente er zur Verwahrung von Hauben, Perücken, und Hüten, welche durch diese sorgsame Ablage ihre Form behielten. In Krünitz berühmtem Werk Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft werden sie um 1840 als (...) Haubenstock, Perrückenstock, ein rundlicher Klotz, oder auch bloß ein gedrechselter Stock, der einen Fuß, wie ein Leuchter hat, und oben einen Knopf von Holz, worauf die Haube, die Perrücke gehängt wird. Von ähnlicher Art ist der Hutstock der Hutmacher beschrieben (Band 174, 1840).
Es kann also zwischen Perückenstativ, Haubenkopf und Hutständer keine klare Linie gezogen werden, handelt es sich doch auch um persönliche Gegenstände, die in der Regel individuell gestaltet und von Kunsthandwerkern gefertigt wurden.
Im Laufe der Zeit bildeten sich durchaus regional verschiedene Typen heraus, von denen die meisten die menschliche Physiognomie nachahmen. So gab es neben glatten, mit Mustern verzierten Porzellankugeln auch aufwändig aus Holz geschnitzte Büsten, die nach den Gesichtszügen des Besitzers gestaltet wurden, oder abstrahierte Formen wie auch Krünitz sie erwähnt, die eine Öffnung zur Ablage von Nadeln und Haarschmuck haben konnten. Im französischen sind sie als Marotte bekannt, mit diesem Begriff werden heute oft bemalte, aus Papiermaché gefertigte Haubenköpfe bezeichnet. Auch Putzmacherinnen verwendeten diese Köpfe bei der Fertigung der Hauben oder um ihr Angebot zu präsentieren:
Hauben=Stock , eine von Thon, von Pappe, oder meistens von Holz gebildete und geschnitzte Figur, in Gestalt eines Frauenzimmerkopfes mit dem Halse, worüber die Haubensteckerinnen oder Putzmacherinnen die Frauenzimmerhauben oder Kopfzeuge zu stecken und zu knüpfen, und ihnen die gehörige Form zu geben pflegen. (Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft Band 22, 1781). Ob persönlicher Gegenstand und Begleiter oder stilles Modell: Als Charakterköpfe überzeugen sie heute durch ihre kunstfertige Ausführung, ihre individuelle Gestaltung und Präsenz, die keiner Kopfbedeckung mehr bedarf.

Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat. IV - Nr. 7, München 2016