Verspiegelte Vexierkugel
19. Jahrhundert
Spiegelglas, Metall
D 42 cm

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In der frühen Neuzeit waren es nicht nur naturgetreue Wiedergaben, sondern Verzerrungen und neue Perspektiven auf das eigene Selbst, die faszinierten: Sogenannte Vexierspiegel gestalten das Spiegelbild des Betrachters und dessen Umgebung um und geben es nicht naturalistisch, sondern zerstückelt oder verzerrt wieder. Durch konkav und konvex geformtes Spiegelglas entstehen ästhetisch ansprechende Zerrbilder und optische Täuschungen, welche die Umgebung dekonstruieren und neu zusammenfügen. Solche Objekte fanden sich beispielsweise in Kunstkammern, wo sie kostbar gerahmt den Betrachtern die Möglichkeit boten, die Perspektive auf sich und ihre Umwelt zu verändern und optische Spielereien auszuprobieren.

Sichtbar werden diese Experimente auch in Gemälden, beispielsweise im berühmten Tondo des Girolamo Franceso Maria Mazzola, genannt Parmigianino um 1524, in dem er sich selbst in einem konvexen Spiegel portraitiert. Das Bildthema des Selbstportraits im Vexierspiegel hat sich seitdem gehalten – so fotografierte sich auch der Maler James Ensor in einer großen Spiegelkugel. Sie hängt bis heute im Kronleuchter seines Wohnzimmers im Ensorhuis in Belgien, das mittlerweile ein Museum geworden ist. Verspiegelte Kugeln, auch Vexierkugeln genannt, stellen eine Sonderform der Vexierspiegel dar. Sie sind perfekt konvexe Objekte, die außergewöhnliche Spiegelungen erlauben und dafür handwerkliche Perfektion fordern.
Auch als Vanitas-Symbol, wie in Pieter Claesz Vanitas-Stilleben mit Selbstbildnis, in dem der Künstler sich und seine Umgebung verzerrt gespiegelt abbildet, tritt die Kugel auf. Das ist jedoch nur eine von vielen Bedeutungen und Interpretationen, welche verspiegelte Glaskugeln seitdem begleiten. Spiegelkugeln sind auch als dreidimensionales Objekt in verschiedenen, teils regional begrenzten Traditionen von Bedeutung. In der Bretagne spielten die als Boule de Pardon bekannten, oftmals bunt verspiegelten Glaskugeln eine wichtige Rolle in der Brautwerbung. Die Größe der Kugel gab dabei Aufschluss über die Vermögensverhältnisse des potentiellen Ehemanns. Heute kennt man Glaskugeln vor allem als Christbaumkugel, durch das kleine Format und den oft aufwendigen Dekor liegt der Fokus aber nicht mehr auf der Reflexion, sondern dem dekorativen Effekt der Kugel selbst.

Die hier vorliegende Vexierkugel mit rund 42 cm Durchmesser ist in ihrer Größe und Qualität außergewöhnlich und sehr selten. Nicht zuletzt durch ihre beeindruckende Größe verändert diese Kugel ihre Umgebung und den Raum, in dem sie hängt, beträchtlich. Sie fordert Platz und zeigt Präsenz, passt sich aber immer in die Umgebung ein und gibt ihre Umwelt in einer neuen Perspektive wieder. Diese Vexierkugel ist ein meisterlich handgefertigtes Unikat, ein historisches Original, das sich durch seine starke Raumwirkung auszeichnet.

Publiziert in: Raum für Objekte - Ariane Laue Kunsthandel, Kat.IV - Nr. 17, München 2016